Das angeblich älteste Gewerbe der Welt sollte raus aus der rechtlichen Grauzone und rein in die Sozialversicherung. Doch viele Hoffnungen wurden enttäuscht. Ronen Steinke und Katja Riedel. Die Mutter, die eine Krebstherapie braucht, der Sohn, der eine vernünftige Schule besuchen soll. Um das nötige Geld nach Hause zu bringen, wird sie auch an diesem Abend ihre hohen grünen Stiefel anziehen. Sie wird sich davonstehlen aus ihrer Mann Der Nutten Hörig Ist in Polen, gen Westen fahren, nach Berlin. In der Dämmerung wird sie zurück sein, der Sohn braucht sein Frühstück. Ihre Geschichte und ihren Namen aber kennt nur Angelika Müller, 53, die hier seit 15 Jahren als Krankenschwester in der Hilfseinrichtung "Frauentreff Olga" arbeitet. Male, die kein Freier sieht, dem eine von ihnen in einer dunklen Ecke die schnelle Befriedigung verschafft. Male, die nur Angelika Müller sieht. Eine krebskranke Mutter, ein Sohn, der es mal besser haben soll. Drogen, Schulden. Vor zehn Jahren hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das die Karten neu mischen sollte: Das Prostitutionsgesetz, in Kraft getreten am 1. Januargab den Frauen erstmals einen Anspruch auf ihren Lohn, den sie vor Gericht einklagen können. Es sollte die Rechte der Frauen stärken, nicht aber die der Zuhälter. Und doch sollten diese erstmals legal Bordelle führen können und so für bessere Arbeitsbedingungen sorgen. Man darf nach zehn Jahren sagen, dass viele Hoffnungen enttäuscht wurden. Eine Drei-Zimmer-Wohnung irgendwo in einem Hochhaus, eine Hotline und eine Anzeige in der Boulevardzeitung dazu - schnell ist das aufgemacht, schnell wieder geschlossen. Er protokollierte, wie die etwa bis Prostituierten Berlins in ungezählten Mini-Etablissements leben. Die meisten dieser kleinen Clubs hat der Markt längst wieder verschluckt und neu ausgespuckt, sagt die Berliner Soziologin Christiane Howe, die das Rotlichtmilieu systematisch untersucht. Nirgends in Deutschland reagiere die Rotlichtbranche derart schnell auf Veränderungen. Dennoch: Die Hoffnung des Gesetzgebers, möglichst viele Prostituierte würden durch das Prostitutionsgesetz ordentliche Arbeitsverträge bekommen und in die Sozialkassen einzahlen, hat sich in Berlin kaum erfüllt, wie andernorts auch. Das hat das Familienministerium inzwischen selbst eingeräumt. Zahlen liefert das Ministerium nicht, nur eine Beobachtung: Die Prostituierten wollen sich nicht fest binden. Lieber sind sie Tagelöhnerinnen geblieben. Auch auf eine Rentenversicherung verzichten fast alle. Wer hält sich schon gerne mit Formularen und Steuern auf? Früher hätten die Behörden immerhin weggeschaut, früher konnten die Frauen im Verborgenen bleiben. Heute fürchten sie, amtlich abgestempelt zu werden, als Prostituierte registriert, vielleicht dauerhaft. Die Polin mit den grünen Stiefeln gibt bei Behörden nie ihre eigene Adresse an, sie holt ihre Briefe lieber bei Freunden ab, damit ihre Familie nicht über verräterische Post aus Deutschland stolpert. Leichter, so vermutet Angelika Müller, ist ihr Leben eher nicht geworden. Dass sich gar nichts aufgehellt hätte in der schummrigen Rotlichtwelt Berlins, kann man freilich nicht sagen: Eine ganze Welle neuer Geschäftsleute, so hört man, ist in den Markt eingestiegen, seit es grundsätzlich legal ist, einen "bordellartigen Betrieb" zu führen. Früher regierten hier Männer aus der Halbwelt bis hinauf in die Edelprostitution, das Geschäft konnte Mann Der Nutten Hörig Ist ja nur mit einem Bein im Gefängnis betreiben. Heute melden auch seriösere Investoren Interesse an den hohen Gewinnspannen an. Neue Gesichter - das sei vielleicht die wichtigste Veränderung, sagt auch die Ex-Prostituierte Stephanie Klee.
Loverboys: "Weil ich ihn liebe"
Mann aus Reutlingen hatte Mädchen zur Prostitution gezwungen - SWR Aktuell Comments · Wie ist das ZWANGSPROSTITUIERTE ZU SEIN? · Ritterblut - Verliebt in einen Knacki [Dokumentarfilm] · Am Schauplatz - Drogen am Land Archiv. Schwedisches Prostitutionsgesetz„Ein Mensch kann nicht zum Verkauf stehen“. Eine Prostituierte steht vor einem Bordell in Flensburg. Nachbars Lumpi - DER SPIEGELBleiben die Telefonüberwachung, sofern sie genehmigt wird, und Tipps aus dem "legalen" Milieu. Oft schlagen sich die Beamten auf einem Parkplatz die Nacht um die Ohren und am Ende stellt sich raus, dass die "Lieferung" verschoben wurde. Aber seine mitangeklagte Frau sagt aus. Ich konnte Akten einsehen, Vernehmungsprotokolle, Polizeiunterlagen, Gutachten, Gerichtsurteile …. Auch Katharina wäre viel Leid erspart geblieben und sie hätte ein ganz normales Leben führen können. Carlo von Tiedemann, 48, gehört nicht zu den Unverzichbarkeiten des Daseins, aber im Norden der Bundesrepublik gehört es dazu.
Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg
· Ritterblut - Verliebt in einen Knacki [Dokumentarfilm] · Am Schauplatz - Drogen am Land Sie erzählt, wenn sie bereits Prostituierte ist, wie schnell man Geld verdienen kann, wie leicht man in der Lage ist, sich schön und elegant zu kleiden, Juwelen. Schwedisches Prostitutionsgesetz„Ein Mensch kann nicht zum Verkauf stehen“. Eine Prostituierte steht vor einem Bordell in Flensburg. Dennoch: Die Hoffnung des Gesetzgebers, möglichst viele Prostituierte würden durch das Prostitutionsgesetz ordentliche Arbeitsverträge bekommen. Comments · Wie ist das ZWANGSPROSTITUIERTE ZU SEIN? Archiv.Wir haben es bei diesen Lover Boys oder auch Zuhältern mit einer bestimmten Masche zu tun. Bis heute. Es führt nur zur Verkennung der wahren Ursachen. Aber es ist so, oder? War das ein Einzelschicksal? Fälle von Zwangsprostitution Mit falschen Versprechungen wurde Joy nach Europa gelockt. Das was der Familie damals gar nicht klar war: Auch wieder der Punkt Hörigkeit. Die Tochter einer ehemaligen Lebensgefährtin wurde teilweise mit Drogen gefügig gemacht. Katharina schildert mir wieder mal, wie er sie zusammengeschlagen hat, wo sie die anderen Frauen ankleiden mussten, weil sie gar nicht mehr in der Lage war, das selber zu tun, und so viel Kosmetik gab es auch gar nicht, um die blauen Flecken zu überschminken. Seine Freunde vom Boulevard gaben in den Klatschspalten Signale vertrauenerweckender Normalität: Tiedemann verlor den Führerschein, nutzte seinen Schwiegersohn-Charme zu allerlei Eroberungen und soff. Die Kupplerin war einerseits wegen der Dankbarkeit des Motivs, andererseits wegen des gewaltigen Einflusses, den sie auf das Mädchen ausübt, von jeher ein beliebter Gegenstand für Künstler. Warum hat sie gelogen für den Mann, der in ihr nur eine Art Sklavin sah, die ihm viel Geld einbringen musste? Mir ging es in etwa so wie den Befragten der Allensbach-Umfrage, die EMMA kürzlich veröffentlicht hat: Prostitution ist ein übles Geschäft, aber war irgendwie schon immer da. Schmid: Absolut! Familien wissen gar nicht, wie sie mit ihren Kindern da durchkommen sollen. Diese Frage habe ich mir während des Schreibens mit Katharina immer wieder gestellt. Die Staaten, sagen die Vereinten Nationen, müssten die Menschenrechte auch dieser Berufsgruppe schützen und vor allen Dingen mehr schützen. Zur klassischen Vorgehensweise dieser Loverboys gehört, dass sie ihre Opfer völlig von Familie und FreundInnen isolieren. Mit zusätzlichen E-Books. Um zu verstehen, wie Katharina in eine solche verhängnisvolle Abhängigkeit geraten konnte, habe ich mit der Psychiaterin Nahlah Saimeh lange Gespräche geführt. Sie kommen in die Fabrik, in den Laden, ins Büro und hören dort oft genug von ihren Altersgenossinnen wahre und erdichtete Abenteuer. Dass sie vergewaltigt und geschlagen werden, komme vor, sagt Breitner. Und man kann das am Ende alles für die schöne neue Verpackung eines gar nicht so neuen Geschäftsmodells halten. Sie müssen sich mal vorstellen, dass der Vater und nachher auch die älteren Söhne durch die Bordelle gezogen sind. Sie ist ewig wie die Dummheit! Manchmal konnte sie weder laufen noch sitzen nach seinen Prügelorgien. Jammern gehört dazu im Rotlichtmilieu, das Finanzamt soll sich nicht zu viel erwarten. Eine Gesellschaftsordnung, die die Frau dem Kollektiv unterordnet, begeht den gleichen Fehler wie jene, die es als Freiwild betrachtet. In den darauf folgenden Jahren habe ich viele Gespräche geführt, im Milieu, mit Justiz und Polizei, mit Frauen von Sisters, Solwodi oder Windrose … Dabei entstand ein düsteres Bild: die Welt von Katharina. Und sie hat für den Mann, der ihr das alles angetan hat, immer wieder gelogen. Home Panorama Prostitution Zehn Jahre Prostitutionsgesetz - Die Ballade von der sexuellen Hörigkeit "Frei von Zwang ist letztlich keine": Mit dem in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz wollte die damalige Bundesregierung die Situation der Frauen im Rotlichtmilieu verbessern. In der »Bunten« legte Tiedemann in einer Titelgeschichte »Die Beichte« ab. Männer prostituieren sich nur selten.